Mentaltraining für Läufer:

Tipps und Techniken für den Marathon

Egal, wie fit man ist. Beim Marathon macht oft der Kopf den Unterschied. Darüber hat Tobias Ohlenschläger von iQ athletik mit Hanna Fillip und Henning Thrien von mentaltastic gesprochen – den Experten für psychologische Beratung und Begleitung im Sport.  


Warum kann es hilfreich sein bei meinem Marathon eine gute mentale Verfassung zu haben?

Da Körper und Kopf sich gegenseitig beeinflussen, kann für eine körperliche Leistungserbringung auch die mentale Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein. Gerade wenn es sich um so eine körperlich zehrende Aufgabe wie einen Marathon handelt. Der Körper muss ja nicht nur sich selbst 42 Kilomter lang bis ins Ziel bringen; er muss dabei auch noch unseren Kopf mitschleppen, mit all seinen unkontrollierbaren Gedanken, Emotionen und Stimmungen. Präventives, sportpsychologisches Arbeiten kann dabei helfen, potenziell auftretende Schwierigkeiten zu kontrollieren und einen optimierten Umgang mit unkontrollierbaren Szenarien zu erlangen.

Mentales Training für Läufer
Gedanken-Kino: Welcher Film beim Laufen im Kopf abläuft, entscheidet die Einstellung (Foto: sutadimages - stock.adobe.com)

Wie kann ich mich mental gut auf einen Marathon einstellen und vorbereiten?

Diese Frage erfordert eigentlich eine enorm individuelle Antwort. Zunächst einmal solltest du wissen oder herausfinden, was für dich eine gute mentale Einstellung bedeutet? Was beschreibt einen guten Zustand vor dem Rennen? Was beschreibt ein gutes und leistungsfähiges Gefühl beim Laufen? Antworten auf diese Fragen helfen dabei, eine individuell adäquaten Leistungserbringungszustand zu definieren. Dieser hängt jedoch natürlich auch von deinem Ziel ab, dass du erreichen möchtest. 

Um eine herausfordernde Aufgabe bewältigen zu können, ist es wichtig, dass du davon überzeugt bist das auch zu können. Diese Sicherheit kann man sich beispielsweise durch ein Bewusstsein des Trainingsfortschritts, durch objektive Leistungsparameter sowie durch eine ausgeklügelte Verpflegungs- oder Pacingstrategie holen (iQ TIPP: Mehr über den Pacingtest für Läufer erfahren). 

Ein gut trainierter Geist kann dann dabei helfen zu Beginn des Marathon als regulierende Größe zu agieren, um den noch frischen und sehr motivierten Körper nicht überpacen zu lassen. Andererseits kann er in Phasen, in denen der Körper sich so langsam negativ bemerkbar macht, zum Weitermachen animieren durch extra trainierte mentale Anker und Selbstgespräche.

Was kann ich tun, wenn die Aufregung mich lähmt?

Hier ist erstmal wichtig zu wissen, dass ein gewisser Grad an Aufregung normal und für die Leistungserbringung sogar wichtig ist. Der Leitsatz: „Aufregung muss jetzt gar kein Feind sein, sondern kann sogar tatsächlich sowas wie ein guter Freund sein“, hilft zur Einordnung. Hier kann es helfen zu wissen, wie viel Aufregung für dich angenehm ist und was dich eher lähmt anstatt pusht. Wenn dein angenehmes Maß überstiegen ist, kann Ablenkung helfen (z.B. angenehme Musik hören, mit Leuten unterhalten, die Ruhe ausstrahlen, sich nicht unbedingt direkt im Getümmel aufhalten). Außerdem kann es auch hilfreich sein, im Vorfeld einen genauen Zeitplan zu haben und die Tasche schon am Vortag gepackt zu haben, so ersparst du dir am Tag des Marathons Zeit und Stress. 

Eine sehr hilfreiche Strategie akute Aufregung zu senken, ist es, auf eine verlängerte Ausatmung zu achten. Hierbei kannst du deine Augen schließen, durch die Nase einatmen und dabei bis vier zählen, anschließend durch Mund und Nase gleichmäßig ausatmen und versuchen bis sieben zu zählen. Dadurch wird dein Entspannungsnerv aktiviert. Wiederhole dies so lange, bis du merkst, wie sich dein Herzschlag beruhigt und du zunehmend ruhiger wirst.

Mentale Fitness beim Marathon
Der Kopf läuft immer mit und macht beim Marathon oft den Unterschied (Foto: Thaut Images - stock.adobe.com)

Gibt es mentale Techniken oder Strategien, die mir in zähen Phasen während des Laufs helfen können?

In Abhängigkeit deiner Ambitionen und deiner persönlichen Präferenzen kann es dir möglicherweise Helfen, die lange Strecke in kleinere Teilabschnitte zu teilen. Das kann durch bestimmte Kilometer (z.B. 2x21,1km; 4x10,55km; 8x5,28km) oder Zeitziele (Zwischenzeiten), Verpflegungsstrategien (von Gel zu Gel; von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation…) oder anhand markanter Streckenpunkte sein. Gerade im letzten Drittel, wenn sich der Körper immer deutlicher bemerkbar macht, kann auch ein bewusstes Ablenken hilfreich sein. Dabei sind deiner Kreativität keine Grenzen gesetzt (z.B. Lieder singen, sich selbst eine Geschichte erzählen, Schuhmarken zählen, sich unterhalten, Zuschauer zählen,…). 

Unabhängig von Deiner Zielsetzung – zwei Dinge sind elementar in der mentalen Vorbereitung:

ERSTENS:  So ein Marathon kann tatsächlich Spaß machen und selbst, wenn es sich gerade wie Folter anfühlt, wird es immer wieder Phasen geben, die zu genießen sind. 

ZWEITENS: Es wird weh tun! Ja, Du hast ganz sicher schon diese Geschichten gehört, wo der Marathon von vorne bis hinten einer „Genießer-Panoramarunde“ glich. Dies trifft ganz bestimmt auf manche Marathonerlebnisse zu. Die deutlich realistischere Form eines Marathonerlebnis beschreibt allerdings Momente, die echt schmerzen und relativ wenig Bock machen. Zu wissen, dass diese Phasen kommen und auch wieder gehen werden, beschreibt ein enorm relevantes Wissen! In solchen Phasen kann eine gezielte Form der Ablenkung sein, den Fokus bewusst zu lenken, also wie mit einer Taschenlampe bestimmte Wahrnehmungen hervorheben. Diese Taschenlampe kannst du auf dein enges (z.B. Straßenbelag unmittelbar vor dir) oder weites (z.B. Läufer um dich herum, Zuschauer) sowie auf dein Inneres richten. Auch da kannst du den Fokus eng (z.B. Oberschenkelmuskulatur) oder weit (z.B. allgemeine körperliche Verfassung) nehmen. Hier kannst du gerne mit den unterschiedlichen Einstellungen deiner mentalen Taschenlampe spielen und beispielsweise in den langen Läufen im Training herausfinden, wann dir welche Einstellung am meisten hilft.

Vielen Dank für diese hilfreichen Tipps, die den Kopf fit für die Langstrecke machen und dabei helfen, den mentalen Kampf beim Marathon zu gewinnen! 

iQ athletik arbeitet mit euch zusammen und begleitet einige Sportlerinnen und Sportler gemeinsam auf dem Weg zu ihrem Trainingsziel. Erklärt doch bitte noch einmal kurz, was die Themen der Sportpsychologie sind und was eure Arbeitsweise ausmacht?

„Es handelt sich um ein Gespräch von Mensch zu Mensch.“ Dieses Zitat stammt aus einem klassischen Erstgespräch bei uns. Ziel dieser fast plumpen Aussage: Die Scheu und Skepsis vor dem großen Begriff der Sportpsychologie abbauen und gleichzeitig sicherstellen, dass wir weder zaubern werden noch jemanden in Trance versetzten, sondern verdeutlichen, dass wir als Fundament unserer Arbeitsweise ein offenes Gespräch definieren. 

Themen in der Beratung, die uns dabei häufiger begegnen sind beispielsweise der Umgang mit Druck oder auch Verletzungen, die Regulation von Emotionen oder Aufregung, das Erarbeiten von Strategien, die dem Stress der Doppelbelastung von Sport und Schule, Studium oder Arbeit entgegenwirken sollen. Aber auch die Vor- oder Nachbereitung von Wettkämpfen oder das Erarbeiten von Routinen taucht immer wieder auf. Neben diesen sportlichen Themen geht es aber auch oft um Privates, Konflikte, Schicksalsschläge, Persönlichkeitsentwicklung oder auch einfach einen Austausch über Alltägliches.

Vielen Dank für das Gespräch! 

iQ Tipp: Der erste Gesprächstermin mit mentaltastic ist kostenfrei!


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